Mein Tagebuch aus dem Jahre 2150!

Jugendratsabschluß

Heute mitten im Winter 2150 habe ich endlich, die vom Jugendrat geforderte, Tagebuchbeschreibung abgegeben.

Die Textvorgabe des Jugendrates für das vergangene Jahr lautet:

Am Freitag, dem 13. November 2150 wurde ich 20 Jahre alt und veröffentlichte das Tagebuch meines zweiten Lebens!

Ich bin bis zum 12.November Mitglied des Jugendrates gewesen. Am 13.November haben wir meinen 20. Geburtstag im Ersten mit Multivitaminsaft und offizieller Rede des Ministers via Hologramm und im Zweiten mit Torte und Cafe im Familienkreis gefeiert.

Es ist Tradition, dass die ausscheidenden Mitglieder, ein zum Jahresthema passendes Tagebuch veröffentlichen um den nachfolgenden Jugendräten in ihrer Entwicklung weiter zu helfen. Wir haben uns im laufenden Kalenderjahr mit dem Thema des Zweiten Lebens auseinandergesetzt. Gern gesehen ist das Zweite Leben weder von der Ersten Gesellschaft noch von der Politik, jedoch, wie jeder weiß hat nahezu jeder ein Zweites. Eines das analog funktioniert und frei ist von der Last der Elektronik und damit von Datenüberwachung.

Naja wahrscheinlich nicht ganz frei. Wichtig ist jedenfalls, das eigene Erleben im Zweiten. Ist das, bei sich behalten von Informationen, ist das, frei sein von elektronischer Überwachung, das Vertrauen in die eigenen ungesteuerten Fähigkeiten der einzelnen Person. Das Zweite, so sagt mir mein Vater, ist früher mal das Erste gewesen. Ich weiß nicht, wie das gegangen ist, aber ich stelle es mir doch echt schön vor. Wenn ich in das Zweite abtauche dann fühle ich mich sehr wohl, was wahrscheinlich auch an Jürgen liegt.

Aber von Anfang an: Ich bin Nora, wurde am 13. November 20 Jahre alt und werde nach einer kurzen Auszeit am 11.Jänner 2151 meine Arbeit im Parlament beginnen. Ich bin noch in Ausbildung, studiere an der allgemeinen internationalen Universität Ökologie und Ökonomie. Ein von mir gewähltes Studium, das erstaunlicherweise überhaupt nichts mit den Berufen meiner Eltern zu tun hat. Ich bin also ein richtiger Ausnahmefall.

Mein Vater ist der oberste Chef der Datenpolizei und meine Mutter beschäftigt sich mit der Vernetzung von Pflegediensten. Das ist eine der wenigen Tätigkeiten die auch heute noch persönliche Anwesenheiten erfordern kann. Persönliche Anwesenheiten können ganz schön anstrengend sein. Man muss sich dann darauf verlassen, dass sich alle Beteiligten Personen dem Codex entsprechend benehmen.

Genau heute Morgen hat es um 4:00 einen Sirenenalarm gegeben und mein Vater hat sich in seinem Büro, das seit Jahren über effektiven Lärmschutz verfügt, zurückgezogen. Manchmal höre ich seine Stimme, kann aber nicht verstehen was er sagt. Ich habe mich längst daran gewöhnt, dass er nur dann von seiner Arbeit spricht, wenn es anschließend auch veröffentlicht wird. Das bedeutet, noch ist es geheim. Aber es scheint doch aufwändiger, ereignisreicher zu sein, als im Normalfall, weil es so lange dauert.

Mathilda unsere EHH1 versorgt ihn mit Essen und Trinken. Mathilda ist überhaupt wichtig in unserem Haus. Wir leben in der Urbanzone -3 2425 EUÖBRGL – früher nannte man dieses Gebiet zum äußeren Speckgürtel der Stadt gehörig, sagt mein Vater. Dadurch dass er ständig mit diesen Datenvergehen zu tun hat, weiß er ja auch sehr viel über früher. Wir haben schon so lange eine EHH, das ich mich garnicht daran erinnern kann, keine gehabt zu haben. Mathilda jedenfalls funktioniert im Allgemeinen sehr gut. Wenn sie Updates hat, ist sie manchmal ein wenig durcheinander mit Tag und Nacht, es kann durchaus vorkommen das sie nach einem Update um 3:00 beginnt Wäsche zu waschen. Da muss man sie dann nachjustieren. Sie ist aber schwer in Ordnung und stets höflich und freundlich, wie es sich für einen EHH-Roboter eben gehört. Mutter hat den Namen ausgesucht. Mir ist es recht, Hauptsache es funktioniert alles soweit. Natürlich muss man sich im Haushalt an Ordnung halten, es ist beispielsweise nicht erlaubt die Schmutzwäsche wo anders hin zu räumen, als in den dafür vorgesehenen Behälter. Wenn man sie dort nicht hineinlegt, wird sie auch nicht gewaschen- pasta.

Früher als ich Ordnung noch nicht so verstanden hab, da hat meine Mutter nachgeholfen und die Sachen so platziert, das Mathilda zurechtkommen konnte, also Spielzeug werggeräumt oder Wäsche im richtigen Behälter abgelegt oder auch diverse Barrieren, die ich für Mathilda aufgebaut hatte, weggeräumt. Ich wollte sie schon als kleines Mädchen immer mal wieder ärgeren oder ein bissl behindern. Es ist mir nie gelungen, wenn Mathilda etwas nicht passt bringt sie mir Tee zur Beruhigung, wie sie sagt. Was soll man da als Kind denken, es macht einfach keinen Spaß Mathilda zu ärgern. Im Laufe der Zeit habe ich sie schätzen gelernt. Eben immer dann wenn sie einige Tage ausgefallen ist, weil sie einen Programmierfehler aufwies oder mal ein Gelenk kaputt war und wir keinen Ersatz- EHH-Roboter bekommen konnten, ist mir bewusst geworden, was sie so den ganzen Tag für uns erledigt.

Meine Mutter ist in das andere Büro gegangen, sie hat glücklicherweise heut nicht ganz so viel zu tun. Sie sorgt gerade noch dafür das eine der Menschen die sie betreut einen angepassten EHH erhält. Es ist dort notwendig geworden täglich den Blutzucker zu messen und dafür braucht man einen medizinisch versierten EHH. Wird also heute noch ausgetauscht. Sie sagt mir, dass sie gleich Zeit hätte und ins Zweite kommen wird.

Ich bin schon da. Das Zweite ist analog und ein Teil des Zweiten von mir und meiner Mutter ist die Küche. Leider nicht ganz, weil Mathilda die Bestückung des Eiskastens und der Vorratskammer übernommen hat. Meine Mutter hat natürlich ein Mitspracherecht und Mathilda hat keine Kompetenz für den Gefrierschrank und das Frischelager, das meine Mutter eingerichtet hat. Wenn wir etwas Besonderes, wie veganen Caviar wollen, dann müssen wir das extra bestellen. Mathilda sorgt dann dafür dass es geliefert wird. Die Grundnahrungsmittel werden, je nach Familiengeschmack sowieso automatisch bestellt.

Gut, aber sonst gehört die Küche uns. In einem der Schränke befindet sich ein altes Schriftstück, einem Buch ähnlich, noch handgeschrieben von meiner Urgroßmutter, darin gibt es Rezepte für Salben, Tinkturen, Backwaren und Menüs.

Meine Mutter kocht seit ich denken kann immer selbst. Sie sagt das ist Mediation für sie, sie lässt es sich nicht nehmen auch unsere Gäste selbst zu bewirten, manchmal steht sie wirklich stundenlang in der Küche um etwas Gutes für meinen Vater und mich zuzubereiten. Einige meiner Freundinnen haben auch noch solche Mütter, das ist aber echt selten, die meisten lassen sich das Essen einfach kommen, bestellen es in bestimmten Menüwirtschaften und bekommen es frisch in Mehrweggebinden geliefert. Ich finde meine Mutter hat Recht, es ist wichtig sich gesund und wohlschmeckend zu ernähren, natürlich nehmen wir alle Micronährstoffe extra noch zu uns, was ja schließlich unsere zu erwartende Lebenszeit deutlich verbessert hat. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt momentan bei 110 Lebensjahren. Es ist also dem Zweiten zuzuordnen wenn Zuhause extra, persönlich gekocht wird.

Heute gibt es Rindsuppe mit Fridatten, gekochtes Rindfleisch(-gewebe) mit Fisolengemüse und Kartoffel. Es ist nicht nur sehr teuer, sondern auch sehr selten an ein Rindfleischgewebe, das einem früheren Schulterscherzerl entspricht zu kommen. Seit es aus Umwelttechnischen Gründen keine Rinderzucht mehr gibt, wird Rindfleischgewebe im Labor erzeugt. Ab und zu leisten wir uns eben auch Bestandteile wie diese, die der sogenannten alten Küche zuzurechnen sind. Natürlich dauert die Zubereitung entsprechend lange, aber wir wissen schon wie es geht. Suppe mit dem Rindfleischgewebe kann mit entsprechendem Gemüse ruhig einige Stunden alleine in der Küche am Herd vor sich hin sieden.

Wir lieben es, gemeinsam am Tisch zu sitzen und zu essen. Auch das ist nicht mehr in jeder Familie so. Besonders in der Urbanzone 0 oder der Urbanzone -1 wird häufig auf gemeinsame Mahlzeiten aufgrund der unterschiedlichen Tagesabläufe der Familienmitglieder verzichtet. Wir sind da altmodisch. Die Fisolen und die Kartoffel bauen wir selbst an genauso wie alles andere Gemüse. Wir haben für unser Zweites, einen Nutzgarten so eingerichtet, dass wir uns mit Obst und Gemüse nahezu selbst versorgen können. Das erfordert gute Planung, da ist meine Mutter die Spezialistin. Ich versuche immer von ihr zu lernen. Das sind aber die Dinge die ich handschriftlich vermerke. Dafür habe ich zu einem meiner Geburtstage ein leeres Buch bekommen, das ich stets mit möglichst schöner Handschrift erweitere. Die Herausforderung ist die Inhaltsangabe. Mein Vater hat mir geraten, die ersten Seiten für die Inhaltsangabe frei zu halten und die Seiten zu nummerieren, damit ich ohne Suchprogramm die darin aufgezeichneten Daten finden kann.

Das Essen war wiedermal großartig, aber mein Vater hat diese Mahlzeit in seinem Büro eingenommen, ist heute nicht zu uns an den Tisch gekommen. Das macht er echt selten, muss was Wichtiges und Schlimmes vorgefallen sein, wenn er sich so lange dort einschließt. Ich war am Vormittag nicht nur mit dem Schreiben dieses Tagebucheintrages beschäftigt sondern habe mich auch mit meinem Studium befasst, hatte ein kurzes Meeting mit meinen Kommilitonen für eine Arbeit, die wir über die ökologische Entwicklung bezüglich Ressourcenverbrauch von Bodenschätzen in Afrika schreiben.

Europa ist ja, in vielen Dingen schon lange nicht mehr so innovativ, wie es die Afrikaner sind. Dienstleistung, Tourismus, die Erzeugung sowie der Verkauf von Kunstgegenständen und die Hightech Medizin sind die Einkommensgrundlage der Europäer geworden. Die Afrikaner aber, haben gelernt die Wüsten zu nutzen, sind wirtschaftlich und gesellschaftlich ein Vorzeigekontinent geworden. Mein Vater sagt, das sie das sehr lange nicht waren, sie waren ausgebeutet, wurden versklavt konnten aufgrund der überbordenden Korruption lange nicht eigenständig handeln und sind das Armenhaus der Welt gewesen. Gequält von Hungersnot und wirtschaftlicher Aussichtslosigkeit hat es sich in den letzten hundert Jahren nach der Niederschlagung der korrupten Einzelregierungen und der Übernahme durch die Afrikanische Unionsregierung sehr schnell entwickelt. Was man ja von der Europäischen Unionsregierung in den letzten hundert Jahren keinesfalls behaupten kann. Die Regierung in unseren Breiten träumt noch immer von der Weltspitze wie damals vor nahezu zweihundert Jahren. Die Afrikanische Unionsregierung hat sich Schritt für Schritt sowohl wirtschaftlich, wie auch gesellschaftlich und kulturell die Führungsrolle in der Welt erobert.

Der Asiatische Kontinent ist immer noch voll zerstritten, die Russen, die Inder und die Chinesen glauben immer noch gegeneinander regieren und wirtschaften zu müssen, was sie leider immer mehr ins Hintertreffen führt. Asien ist der Bevölkerungsreichste und derzeit unruhigste Kontinent auf Erden. Es gibt keinen Krieg im historischen Sinn, Kriegsgerät darf nicht mehr erzeugt werden, aber es gibt Daten- und Energiekämpfe die den Menschen in Asien schaden. Irgendwann werden sie sich an einen Tisch setzen müssen und dann wird diese Weltenregion hoffentlich ebenfalls friedlich sein.

Der amerikanische Kontinent, hat sich irgendwie aus der früher massiven Drogenkriminalität befreit. Die Kanadier haben damit begonnen endlich wieder einen ehrlichen Weg zu gehen. Na gut es gab im vorigen Jahrhundert extrem viele Todesurteile dort, die auch vollstreckt wurden, aber nur so konnte diese Kriminalität, der Drogenhandel bekämpft werden. Amerika war bis zur Unionsregierung in allen Belangen ein danieder liegender Kontinent. Dort sind sie momentan immer noch damit beschäftigt die Wirtschaftlichen Belange ihres Kontinents wieder aufzubauen.

Und wir in Europa, naja wir haben die Unionsregierung am Längsten…..Wir im Jugendrat sind damit beschäftigt neues, fortschrittliches Denken zu etablieren, hoffnungsvoll in die Zukunft zu denken. Das sehe ich unter anderem als meine zukünftige Aufgabe im Parlament. Darum habe ich mich bereit erklärt weiter im Parlament mitzuarbeiten.

Ich wurde damals Schülerin in den Jugendrat geholt. Jeder Schüler und jede Schülerin muss diese langen Tests mit 14 Jahren absolvieren und die AI2 spürt mit dem Programm X4762PPS, die richtigen Schüler auf und diese kommen dann in den Jugendrat der Lokalregierung oder in den Jugendrat der Europäischen Unionsregierung. Ich war von meinem 14.-16. Lebensjahr im Jugendrat der lokalen Regierung, muss irgendwas richtig gemacht haben und wurde dann in den Jugendrat der Europäischen Unionsregierung berufen. Vor meinem 20. Geburtstag hat man mir wieder einige Tests zugemutet und mir erklärt die AI hat mich wieder ausgesucht und mich für das Parlament vorgeschlagen. Erst wollte ich nicht, weil es neben meinem Studium anstrengend ist, aber es ist auch eine Ehre und eine Verantwortung der man sich nur schlecht entziehen kann. Also werde ich am 11.Jänner 2151 meinen Parlamentssitz in der Europäischen Unionsregierung einnehmen. Eines meiner Hauptthemen dort wird sein, mich dafür einzusetzen dass das Zweite wieder als ein Teil unseres Lebens anerkannt und gefördert wird und nicht weiter im Ersten als antiquiert, langsam, ereignislos und traurig dargestellt wird.

Das Zweite ist für mich auch das Leben in unserem Gebiet. Ist das Zusammentreffen ohne den obligatorischen Codex. Im Zweiten geh ich raus, bin dem Wetter entsprechend angezogen, kann mir aussuchen mit wem ich meine Anwesenheiten teilen mag. Ich habe Spaß mich zu bewegen, brauche kein Natel3 um mich zurecht zu finden, kann sogar, wenn ich muss, Feuer machen, weiß wie man in einem Zelt übernachtet und habe Spaß an Gemeinschaft, an Unterhaltungen, sogar an gemeinsamen, von uns zubereiteten Mahlzeiten.

Wir machen auch Leibesübungen außerhalb der Fitfabriken. Wir stehen nicht vor dem Monitor oder trainieren alleine zuhause. Wir gehen auf eine Wiese hinter dem Feld, ja bei uns gibt es noch Felder, und trainieren so wie Marc das vormacht. Er weiß das von seinem Großvater, der hat früher sogar eine Medaille gewonnen in echtem Schifahren. Nicht so, wie es jetzt bei uns üblich ist, mit der VR Brille. Es ist nicht mehr erlaubt auf den Bergen und durch die Wälder mit Schieren zu fahren, es ist auch nicht mehr erlaubt abseits der Radwege mit dem Rad oder Bike durch die Natur zu fahren. Bewegen ganz allgemein dürfen wir uns schon draußen. Dies machen wir gemeinsam im Zweiten. Ganz selbständig hat sich das entwickelt. Wir treffen uns an bestimmten Tagen zu bestimmten Uhrzeiten an bestimmten Orten, wir brauchen keine Natel oder DatingApps. Wir sind im Zweiten unabhängig davon. Wer da ist, ist da und wer nicht da ist, hat sicherlich einen Grund nicht da zu sein. Wenn es sich aber um längere Abwesenheit handelt wird jemand von uns beauftragt sich darum zu kümmern, also wenigstens am Natel oder auch persönlich nach dem Fehlenden zu schauen, schließlich kann es sich ja auch um eine Erkrankung oder um eine andere Verhinderung handeln so das man vielleicht Hilfestellung geben muss oder soll.

Die Natur, so wird uns im Ersten immer gesagt ist schützenswert und kann sehr gefährlich sein. Im Zweiten weiß man das einfach und hat keine Angst vor der Gefahr die immer wieder im Ersten angesprochen wird. Es macht schließlich einen sehr großen Unterschied ob man sich mit der VR Brille4 in der Welt bewegt und nicht mal das Haus verlassen muss um auf einen Berg zu gehen oder ob man es wirklich selbst erlebt draußen zu sein. Den Wind oder die Sonne auf der Haut zu spüren.

Wir gehen im nahen Umfeld nahezu ausschließlich zu Fuß, ich habe das Glück, so wie einige andere bei uns, dass mein Vater mir ein altes hellblaues Rad hergerichtet hat. Man bekommt ja eigentlich keine mehr zu kaufen, weil die Gesellschaft der Meinung ist, dass man mit Elektrorad und Elektroroller viel besser vernetzt und dadurch sicherer unterwegs ist. Aber damit ist man auch an der elektronischen Leine, ist Datenverfolgbar und das möchte ich nicht. Mit meinem Rad kann ich mich im Umfeld bewegen. Weite Touren mache ich damit nicht, das erlauben meine Eltern, aus Sorge um meine Sicherheit, nicht.

Ich bin im Ersten mit dem SEA5 unterwegs, das geht ganz gut, wenn tatsächlich irgendwo Anwesenheiten erforderlich sind. Das SEA kann einfach elektronisch angefordert werden, die Firma verpflichtet sich im Notfall sogar innerhalb eines Zeitraums von 10 Minuten ein passendes Gefährt zur Verfügung zu stellen. Mein Vater besteht aus Sicherheitsgründen darauf dass ich immer ein privates SEA bestelle. Das wirklich gute an den SEA´s ist, dass ich nebenbei, bis ich ans Ziel komme Unterhaltung habe, entweder ich lasse mir einen Film zeigen oder schaue mir irgendeine Ratesendung, eine Doku oder einen Podcast an. Manchmal höre ich Musik.

Die Skripten für die Uni lasse ich mir Zuhause vorlesen, wenn ich am Laufband meine vorgeschriebenen Schritte absolviere. Wenn ich die Gesundheitsstandards nicht einhalte wird mir das Stipendium gekürzt und das will ich mir nicht leisten. Ich komme finanziell gut über die Runden und brauche die Familienkreditkarte nicht mehr belasten.

Aber wieder zurück zum Wind um die Nase. Das Wetter ist in dieser Jahreszeit nicht besonders einladend sich draußen aufzuhalten. Aber um meine Kammeraden zu treffen ist es eben erforderlich draußen zu sein. Draußen sind wir einfach sicherer vor der ständig aktiven Datenkontrolle.

Ich habe also meiner Mutter gesagt, dass ich wieder ins Zweite abtauche, habe ihr den Zeittracker6 und das Notel gegeben und wiedermal festgestellt, dass es sich gut anfühlt frei zu sein.

Vor etwa Fünf Jahren, als ich angefangen habe die Kammeraden im Zweiten zu treffen, da hatte ich, immer wenn ich den Zeittracker ablegte, so ein mulmiges Gefühl. Nicht das es verboten wäre sich ohne ihn zu bewegen, aber es wird empfohlen ihn immer zu tragen. Egal was empfohlen wird, hab ich mir damals gedacht – ich komme ohne den Zeittracker zurecht. Ganz so einverstanden waren meine Eltern damit nicht, also nicht gleich. Sie haben schon meinen Willen zu Unabhängigkeit verstandenen aber trotzdem waren sie es doch gewohnt in jeder Sekunde zu wissen was ich gerade wo und wie tue. Schließlich bin ich ohne diesen lästigen Überwacher losgezogen und es hat mir unglaublich gut getan festzustellen dass es da draußen Kammeraden gibt die auch ohne Zeittracker unterwegs waren. Irgendwie war ich da in dieser Clique rasch aufgenommen. Die, ein wenig älteren, haben uns beigebracht wie man sich draußen ohne Hilfsmittel zurecht findet, wie man auf den Himmel schaut, wenn man im Wald ist, wie man wandern geht, wo man bei uns eher nicht hingeht. Zum Solarfeld zum Beispiel lieber nicht, dort sind nämlich die Menschen vom Wachschutz, die stellen dann lästige Fragen und ordern ein SEA um uns wieder sicher nach Hause zu verfrachten. Auch besser nicht zu den Windrädern, da kann zwar nix passieren aber auch dort sind immer wieder Analogpolizisten7 unterwegs und es gibt überall Überwachungskameras. Am besten ist es, sich der ehemaligen Grenze entlang zu bewegen, am Fluss spazieren zu gehen oder die Windschutzgürtel zu erobern.

Wenn man ein Stückchen mit dem Rad auf die andere Seite fährt, kommt man zu einer breiten Schotterstraße und nach etwa 5 Minuten Fahrt hinter ein paar Bäumen und Sträuchern liegt ein kleiner versteckter Platz. Da sind jede Menge Bienenstöcke versteckt. Die Bienen sind eher harmlose Geschöpfe und der Honig den sie liefern schmeckt echt köstlich. Man kann ihn in unserer Urbanzone -3 EUÖBRG bestellen.

Heute ist der Tag wo dieser Ort als Treffpunkt gilt. Die Zeit hab ich auch eingehalten und als ich hinkomm, ist der Großteil der Kammeraden bereits da. Sie stehen im Kreis um Marc der wiedermal große Reden von Freiheit schwingt. Ich habe auch sofort Jürgen entdeckt. Er ist ein Jahr älter als ich und man kann ihn an seiner großen Statur und der blonden Lockenmähne sofort in der Menge erkennen. Er lächelt mich an, wie immer – nach der Begrüßung gehe ich hin und er gibt mir die Hand, wie immer stehen wir Händchenhaltend da. „Kalt ist es,“ sage ich „ja“ sagt er und legt seinen Arm um meine Schultern. Ich lächle, wir sind ein Paar, seit etwa einem Jahr.

Ein Paar im Zweiten. Wir reden, unternehmen gemeinsames, Küssen uns, tun das alles was auch Paare tun, wenn sie sich im Ersten kennen gelernt haben, aber wir kennen uns im Ersten nicht. Wir haben keinen durch Daten nachvollziehbaren Kontakt. Wir sind praktisch geheim ein Paar. Meine Mutter, so erzähle ich ihm gerade hat mir anvertraut dass sie und mein Vater ebenfalls lange ein Paar im Zweiten waren und erst nach etwa drei Jahren beschlossen haben auch im Ersten ein Paar zu werden, damit sie heiraten und zusammen wohnen könnten. Meine Mutter hat das kleine Häuschen in dem wir wohnen von ihrer Großmutter geerbt und sie haben damals beschlossen in diesem Haus zu leben. Er lächelt, sagt er hat auch schon daran gedacht mir vorzuschlagen auch im Ersten ein Paar zu werden um heiraten zu können. „Und warum hast Du nichts gesagt?“ frag ich. „Ich hab nichts gesagt, weil ich mir gewünscht habe, dass Du es sagst“.

 

 

 

 

 

Erklärung:

1)    EHH elektronische Haushaltshilfe

2)    Artifical Intelligience

3)    früher Handy/Mobiltelefon

4)    Virtual reality Brille

5)    Selbstfahrende Elektroautomobile

6)    Erweiterte Trekkinguhren zur Überwachung der Körperfunktionen mit Zeitanzeige

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